Die Kloosen-Orgel – Eine Orgel für Riga in der St. Petri-Kirche

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Die Orgel der Petrikirche in Riga ist ein internationales Orgelneubauprojekt für die Petrikirche in Riga. Geplant ist, die barocke Orgel von Gottfried Kloosen aus dem Jahr 1734 zu rekonstruieren.

Geschichte[edit | edit source]

Innenraum von St. Petri in Riga (2014, ohne Orgel)

Die Petrikirche gehört zu den ältesten und größten Gotteshäusern im Baltikum, ist die Reformationskirche der über 800 Jahre alten Hansestadt Riga, der Hauptstadt Lettlands, und mit ihrem markanten Barockturm ein Wahrzeichen der Stadt. Im Krieg wurde sie 1941 schwer beschädigt. Die Orgel der Firma Walcker, die 1886 die Kloosen-Orgel ersetzte, verbrannte mit der gesamten Kirchenausstattung.[1] 1984 war das Kirchengebäude restauriert und der Turm wieder aufgebaut. Die Orgelempore blieb jedoch leer.[2]

Johann Gottfried Müthel spielte auf der Kloosen-Orgel

Die Geschichte der Kirche ist durch eine herausragende musikalische Tradition geprägt, deren berühmtester Repräsentant der Organist Johann Gottfried Müthel ist, der letzte Schüler Johann Sebastian Bachs.[3] Er spielte auf der 1734 fertiggestellten Barockorgel des Orgelbauers Gottfried Kloosen. Kloosen (auch Cloosen, Closs und Kloss) stammte aus Meffersdorf und erwarb am 6. Februar 1740 das Bürgerrecht in Görlitz.[4] Er war mutmaßlich ein Schüler des Orgelbauers Andreas Hildebrand. In Riga baute er zu seiner Zeit die beiden größten Orgel der Stadt, in der Petrikirche und im Dom zu Riga.[5] Die Planungen und die Rekonstruktion wurden dem Dresdner Orgelbauer Kristian Wegscheider übertragen.

Fachleute bezeichnen das Vorhaben als interessantes europäisches Orgelprojekt.[6] Als barockes Gegenstück zur großen romantischen Orgel im Dom erhält Riga ein Instrument für die reiche Vielfalt der barocken Orgelmusik. Der lettische Architekt Peteris Blums, der Projektbeauftragter sein wird,[7] sagte: „Wenn die Petri-Kirche ihre Stimme wiederhat, ist für die Rigaer Altstadt der Zweite Weltkrieg endgültig zu Ende.“

Forschung und Rekonstruktion[edit | edit source]

Durch die bereits zahlreich vorliegenden Forschungen über das musikalische Konzept und das äußere Erscheinungsbild der Orgel ist es möglich, dieses Instrument wiedererstehen zu lassen. Vorgesehen ist eine Begleitung durch weiterführende wissenschaftliche Forschung durch das Baltische OrgelCentrum Stralsund und durch weitere Sachverständige.

Hildebrandt-Orgel in Pasłęk von 1719

Die grundsätzliche technische und musikalische Konzeption und auch die optische Gestalt der Kloosen-Orgel sind weitgehend bekannt. Die genauen Details dieser Orgel von 1734 bedürfen jedoch noch weitergehender Forschungen. Dazu gehören auch Untersuchungen von Orgeln aus dem zeitlichen und regionalen Umfeld, die für Analogieschlüsse herangezogen werden müssen. Die Kloosen-Orgel spiegelt exemplarisch den Geist der damaligen musikalischen Entwicklung wider. Gottfried Kloosen fügte seiner Barockorgel signifikante Erweiterungen hinzu. Ein hervorragendes Beispiel des damaligen Orgelbaus mit Ähnlichkeiten zur Kloosen-Orgel bietet die Hildebrandt-Orgel in der Pfarrkirche St. Bartholomäus in Pasłęk (Polen).[8]

Weiterhin ist eine wissenschaftliche begleitende Forschung zum Umfeld des Orgelbauers Kloosen, dessen Herkunft und möglichem Schaffen unbedingt notwendig. Das Archiv in Marburg bietet einige wertvolle Fotos des alten Gehäuses und des Zierrats. Der Orgelbau in Danzig im frühen 18. Jahrhundert und vergleichende Studien in Mitteldeutschland bieten gute Analogien.

In Zusammenarbeit mit geeigneten Holzbildhauern und Restauratoren könnte die bildkünstlerische Ausstattung der Orgel wiedererstehen. Dazu ist eine unmittelbare Zusammenarbeit mit den Orgelbauhandwerkern notwendig. Die aufwendige Rekonstruktion des gesamten Schnitzwerkes, einschließlich der notwendigen Modelle der beiden großen Engelsfiguren wurde von zwei verschiedenen Holzbildhauern eingeschätzt.

Mit der Rekonstruktion dieses historischen Instrumentes wird nicht nur ein wertvoller Beitrag zur Dokumentation der Musikgeschichte geleistet, sondern auch ein praktisches Musikinstrument geschaffen, das in Gottesdiensten und in Konzerten das heutige musikalische Leben der Stadt bereichern wird.

Bei der Rekonstruktion der Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg wurde zwar die Orgelempore mit rekonstruiert, nicht aber die darunterliegende Sängerempore, die für die Gestaltung der Westwand der Kirche von großer Wichtigkeit ist. Die Rekonstruktion dieser Musikempore gehört im weitesten Sinne zur Rekonstruktion der gesamten Orgelanlage dazu, denn die Empore kann in Zusammenhang mit der Orgel musikalisch genutzt werden.

Konzeption der Barock-Orgel[edit | edit source]

Auf der Suche nach dem „wahren Klang“, einem Anliegen spätestens seit den Bemühungen der historisch informierten Aufführungspraxis, sollen für die geplante Orgelrekonstruktion möglichst viele Parameter vereint werden. Internationale Instrumentenbauer und praktizierende Musiker sollen in interdisziplinärer Weise dazu beitragen, einem solchen Ideal nahe zu kommen.[9] Speziell im Orgelbereich hat die sog. Orgelbewegung in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts, die nach dem Zweiten Weltkrieg eine weitere Blütezeit erfuhr, zwar bahnbrechende Vorarbeit geleistet, aber in ihrer Glorifizierung der Barockorgel, besonders des Schnitgerschen Typs, eine nicht hilfreiche Polarisierung betrieben. Heute wird einer sachlicheren Differenzierung Raum gegeben.

Angesichts der Nachteile einer Universalorgel liegt in einer stilistisch definierten Orgel in der größeren Farbigkeit und Detail-Nuancierung der Reiz. Auch eine „Barock-Orgel“, unberücksichtigt der näheren Eingrenzung gerade im Vergleich zu bildender Kunst, Architektur und Dichtung, ist über ihre vermeintlich eng gesetzten Grenzen hinaus vielfältiger einsetzbar.

Das Zeitalter des Barock ist und bleibt in der Geschichte der Orgel (klanglich wie auch technisch) und ihrer Musik (kompositorisch und gattungspluralistisch) ein Kulminationspunkt, zu dem hin eine Entwicklung stattfand, die eine lang anhaltende Nachwirkung hatte.

Eine reichhaltig ausgestattete Barockorgel enthält meist sowohl rückwärts gewandte Klänge (z. B. kurzbechrige Zungen und obertönige Aliquotregister) wie auch in die Zukunft blickende Klangfarben (z. B. Streicher und überblasende Register). Ein solcherart allumfassender Typ ist über einen längeren Zeitraum vorherrschend gewesen. Die barocke Orgel lebt von der Vielfarbigkeit sowohl der (Spät-)Renaissance,[10] die das vokale Ideal der Gesanglichkeit der Prinzipale einschließt, als auch des hochbarocken Instrumentariums, was sich in vielen Registerbenennungen als Nachempfindungen diverser Ensemble- und Soloinstrumente widerspiegelt.

Darum erlaubt eine in dieser Wesie disponierte Barockorgel, abgesehen von ihrer Kompatibilität mit zeitgleichem Repertoire, ohne weiteres die Darstellung früherer Stile bis hin zur Musik des Rokoko und Frühromantik. Diese Multifunktionalität macht die Attraktivität einer Barockorgel aus, die Restaurierungen, Rekonstruktionen und Neubauten ein Motivations-Anschub sein kann.[11]

Disposition[edit | edit source]

Die ursprüngliche Disposition der Kloosen-Orgel ist bekannt.[12] Die rekonstruierte Orgel wird entsprechend über 43 Register verfügen, die auf drei Manuale und Pedal verteilt sind:[13]

I Hauptwerk C–d3
Quintadena 16′
Principal 8′
Rohrflöte 8′
Gemshorn 8′
Oktava 4′
Gemshorn 4′
Quinta 3′
Oktava 2′
Terz Vorlage:Bruch
Mixtur IV
Cimbel III
Trompete 8′
II Oberwerk C–d3
Principal 8′
Gedackt 8′
Viola da Gamba 8′
Flute traversiere 4′
Oktava 4′
Kleingedackt 4′
Nasat 3′
Flöte 2′
Mixtur III
Baar Pfeifen 8′
Vox humana 8′
III Brustwerk C–d3
Gedackt 8′
Quintadena 16′
Principal 4′
Flute douce 4′
Salicional 4′
Spitzflöte 2′
Sedecima 1′
Cimbel III
Conettino IV
Hautbois 8′
Pedal C–d1
Principal 16′
SubBass 16′
Quinta 12′
Violoncello 8′
Oktava 8′
Super-Oktava 4′
Klein-Oktava 2′
Mixtur IV
Posaune 16′
Trompete 8′

Förderungen[edit | edit source]

Die Kosten für die Rekonstruktion der Orgel belaufen sich voraussichtlich auf 1,5 Millionen Euro.[14]

Die Trägerschaft und die bauliche Organisation des Projektes übernimmt die lettische Stiftung „Orgel-Stiftung Petri-Kirche Riga“ (lettisch: Rīgas Sv. Pētera baznīcas ērģeļu fonds), die sich aus deutschen und lettischen Mitgliedern zusammensetzt. Schirmherr ist der Geiger Gidon Kremer.[15]

Die Stiftung wurde 2011 gegründet und folgt dem deutsch-lettischen Anliegen, die musikalische Tradition der Barockmusik zu erhalten. Neben den administrativen Aufgaben im Rahmen der Orgel-Rekonstruktion möchte die Stiftung dabei die deutsch-lettische Zusammenarbeit fördern und ausbauen. Ebenso möchte sie den internationalen Austausch von Organisten und weiteren Künstlern sowie interessierten Förderern des Projektes unterstützen.

Im Jahr 2016 wurde der deutsche „Förderverein Orgel Petri-Kirche Riga e.V.“ gegründet, um die lettische „Orgel-Stiftung-Petrikirche Riga“ als bauausführende Instanz des Projekts wirkungsvoll zu unterstützen. Der Förderverein ist nach deutschem Recht als gemeinnützig anerkannt. Die ordnungsgemäße Verwendung der gesammelten Gelder wird in einem jährlichen Finanzbericht nachgewiesen.

Im Sinne seiner Zielsetzung unterstützt der Verein auch internationale Begegnungen von Orgelmusikern und -fachleuten sowie weiteren Künstlern zur Förderung bedeutender musikalischer Traditionen.

Eine erste Vorstellung des Projektes fand im Oktober 2011 in der St.-Petri-Kirche in Riga statt. Benefizveranstaltungen folgten 2012 in der Botschaft der Republik Lettland in Berlin, 2013 in der Schweiz, Berlin und Riga, 2014 in Bremen, 2015 in der Berliner Pfarrkirche Zur frohen Botschaft.[16]

Im Rahmen des Evangelischen Kirchentages in Berlin – Wittenberg informierte vom 25. bis 27. Mai 2017 ein Stand auf dem Markt der Möglichkeiten in den Messehallen Berlin über das Projekt.

Einzelnachweise[edit | edit source]

  1. Walcker-Orgel von 1886, abgerufen am 30. Juni 2017.
  2. Lettische Presseschau: Der historischen Petrikirche in Riga fehlt die Orgel, abgerufen am 1. Juli 2017.
  3. Stiftung Deutsche Kultur im östlichen Europa: Die Königin der Instrumente soll wieder regieren. Orgel-Stiftung Petrikirche Riga, abgerufen am 1. Juli 2017.
  4. Vorlage:Literatur
  5. Ekkehard Ochs, Nico Schüler, Lutz Winkler (Hrsg.): Musica Baltica. Interregionale musikkulturelle Beziehungen im Ostseeraum. Lang, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-631-30480-3, S. 270.
  6. Eine Orgel für Riga, abgerufen am 30. Juni 2017 (PDF).
  7. Eine Orgel für Riga: Perspektiven 2016/2017, abgerufen am 30. Juni 2017.
  8. Hildebrandt-Orgel in Pasłęk, abgerufen am 30. Juni 2017.
  9. Orgelrekonstruktion in der Rigaer Petrikirche als europäisches Forschungs-, Ausbildungs- und Förderprojekt in Kulturwissenschaften und Instrumentenbau, abgerufen am 1. Juli 2017.
  10. Hans Klotz: Über die Orgelkunst der Gotik, der Renaissance und des Barock. Musik, Disposition, Mixturen, Mensuren, Registrierung, Gebrauch der Klaviere. 3. Auflage. Bärenreiter, Kassel 1986, ISBN 3-7618-0775-9, S. 60.
  11. Klaus Eichhorn, Hochschule der Künste Bremen, auf Eine Orgel für Riga: Warum eine Barock-Orgel?, abgerufen am 30. Juni 2017.
  12. Erik Fischer: Musikinstrumentenbau im interkulturellen Diskurs. Franz Steiner, Wiesbaden 2006, ISBN 978-3-515-08811-4, S. 119 f.
  13. Disposition der Kloosen-Orgel, abgerufen am 30. Juni 2017 (PDF).
  14. Reformatorisch Dagblad vom 16. August 2016: Plannen voor reconstructie barokorgel Petrikirche Riga, abgerufen am 1. Juli 2017.
  15. Hochschule für Künste Bremen, abgerufen am 1. Juli 2017.
  16. Berliner Woche: Benefizkonzert und Vortrag in der Kirche Zur frohen Botschaft, abgerufen am 1. Juli 2017.

Weblinks[edit | edit source]

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